Titelthema: Gemeinsames Ziel Nachhaltigkeit Ist der Klimawandel noch zu stoppen? Obwohl es wissenschaftlich gesichert ❚ Als Maßnahme gegen den Klimawandel und gut belegt ist, dass der Mensch wird u. a. die Einführung von autofreien Hauptverursacher des Klimawandels Städten oder die Verteuerung von Flugrei- ist, wird nicht konsequent gegen den sen genannt. Ist also die Antwort auf den Klimawandel vorgegangen. Wir woll- Klimawandel Verzicht und Einschränkung? der Architektur, in der Mobilität, im täglichen Konsum, werden wir uns endgültig vom Öl verabschieden. Der „Cradle-to-Cradle“- Papst Michael Braungart nennt das auch die „Intelligente Verschwendung“. ten von Matthias Horx wissen, ob eine Klimakatastrophe noch abwendbar ist. Herr Horx gilt als einflussreichs- ter Trend- und Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum und ist Grün- der des Zukunftsinstituts. ❚ Seit Jahren warnen Klimaforscher vor den Folgen des Klimawandels. Man hat jedoch den Eindruck, dass erst mit Greta Thunberg die Bereitschaft wächst, ernsthaft gegen den Klimawandel anzugehen. Wieso? Greta Thunberg ist eine Ikone, die auf eine be- sondere Weise zu uns spricht, unser inneres Wesen anrührt. Sie hat eine große Unschuld, und eine große Kraft, und sie ist exakt zum richtigen Zeitpunkt auf die Bühne getreten. Zudem wird der Klimawandel jetzt zum ers- ten Mal richtig spürbar, mit heißen Sommern und zu warmen Wintern. „Zeitboten“ wie Greta treten immer dann auf die Bühne, wenn ein bestimmter Wandel reif ist, und wenn die Zeichen für den kommenden Wandel über- deutlich werden. Man denke an Gandhi, der den Kolonialismus beendete, oder an John F. Kennedy, der eine Ikone einer modernen, hoffnungsvollen Weltgesellschaft war. Um die Klimawende zu schaffen, brauchen wir ein radikal anderes Denken über Öko- logie. Eine „Ökologie der Fülle“, der erwei- terten Möglichkeiten, statt die ewige Droh- und Angst-Ökologie. Wir brauchen einen dynamischen Wirtschaftssektor, in dem es um attraktive Produkte und ästhetische An- gebote der Dekarbonisierung geht. Elektro- autos können sehr chic sein, Öko mode muss nicht hären sein, und wenn Vegeta- risches richtig lecker ist, dann entstehen neue Alternativen. Technologie, intelligente Systeme und Design können die Dekar- bonisierung sexy machen. Ich nenne das auch die „Blaue Ökologie“. Im Gegensatz zur grünen Schuld- und Verzichtsökologie setzt blaue Ökologie auf lustvolle Zukunft. Ich rüste zum Beispiel gerade mein Haus zu einem kleinen Solarkraftwerk auf, dass auch nach ästhetischen Maßstäben gestaltet ist und mehr Energie erzeugt als es verbraucht. Die Sonne bringt uns hunderttausend Mal mehr Energie auf die Erde, als wir jemals verbrauchen können. Ich nutze „Cradle-to- Cradle“-Produkte, die gut aussehen. Zum Beispiel lease ich Bio-Jeans. Erst wenn eine solche Ökologie der Fülle greifbar wird, in ) l m o c . k e a n h y v . w w w Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com) l ( k e a n h y V s u a K l : o t o F ❚ Wie ist Ihre Prognose für die Zukunft? Kommt es zu einer globalen Klima- katastrophe? Ein Klimawandel muss keine gigantische „Klimakatastrophe“ sein, wie sie der Regis- seur Roland Emmerich in seinen Dooms- day-Filmen wie „The Day After Tomorrow“ schildert. Es kommt sehr darauf an, ob wir 1,5, 2 oder 5 Grad Erwärmung bekommen. Fluten und Starkregen, auch temporäre Dürren, können wir als Menschen durch- aus moderieren, das haben unsere Vorfah- ren unter viel schwierigeren Bedingungen tun müssen, und heute kann internationa- le Solidarität eine Menge bewirken. Unser Planet ändert sich schon seit Abermillionen Jahren ständig, inklusive teilweise recht rup- piger Klimawandel-Prozesse, und das hat das Leben nicht ausgerottet, im Gegenteil, durch Adaptionen entstanden neue Arten und Kulturen. Der Klimawandel fordert die menschliche Solidarität heraus, er hebt so- zusagen die Menschheit auf eine neue Stufe der Kooperation – das ist vielleicht sogar der eigentliche Sinn dieses Geschehens. Auch wenn viele das Gegenteil behaupten: Wir sind gar nicht so schlecht darin, füreinander einzustehen und uns etwas einfallen zu las- sen, wenn es darauf ankommt. Immerhin ha- ben wir als Menschheit ja schon das Ozon- loch verhindert, die Wale geschützt und die Aids-„Katastrophe“ eingedämmt. In der Vorstellung des Klima-Wandels als Super- Katastrophe, als Armageddon, liegt nicht nur viel überzogene Angst, sondern auch eine Menge menschenfeindlicher Zynismus nach der Devise: „Der Mensch ist ein dum- mes Tier, er wird sich ausrotten!“ Dem soll- ten wir deutlich widersprechen: Durch eine Sprache, ein Denken der Zuversicht und der Lösungs-Orientierung. ❚ Vielen Dank für das Interview. g News 01-2020 9