Ein kleines Krankenhaus in ländlichem Gebiet – die Apothekerin steht vor ihren Regalen und schüttelt resigniert den Kopf: Schon wieder sind zahlreiche Arzneimittel abgelaufen und müssen ersetzt werden. Ein erheblicher Geldbetrag landet regelmäßig im Abfall, denn für eine optimale Patientenversorgung muss stets ein umfangreiches Sortiment an Arzneimitteln vorgehalten werden. Darunter befinden sich auch Medikamente, die sehr selten eingesetzt werden und schnell verfallen.
Die Bereithaltungskosten für die optimale Lagerung jedes Mittels sind hoch, der logistische Aufwand zur sachgemäßen Lagerhaltung ebenso. Dieser Problematik hat sich das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderte Projekt MEDinTime angenommen.
Neben Quantum Systems als Projektkoordinator waren das Klinikum Ingolstadt, die Ilmtalklinik in Pfaffenhofen, der Landkreis Pfaffenhofen, die Technische Hochschule Ingolstadt (THI) sowie die Stabsstelle Forschung der Landesgeschäftsstelle des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) an dem Pilotprojekt beteiligt.
Die Technologie hinter MEDinTime
Kliniken sind verpflichtet, eine große Auswahl an Medikamenten ständig vorrätig zu halten sowie insbesondere auch Spezialmedikamente in kürzester Zeit für entsprechende Notfalleinsätze zur Verfügung zu stellen. Dies erfordert den Betrieb aufwendiger Notfallapotheken, auch in regionalen Kliniken. Im Projekt wurde ein Prototypsystem entwickelt und erprobt, welches die Versorgung kleinerer Kliniken aus Großkliniken mit umfangreicher eigener Apotheke durch automatisiert betriebene Drohnen realisiert. Das integrale Gesamtsystem besteht aus Versorgungsdrohne(n) und einer cloudbasierten Managementsoftware.
Als Transportmittel dienen spezielle Flugsysteme des Projektpartners Quantum Systems, die im Gegensatz zu einfachen Multikopterdrohnen auch weitere Strecken schnell und geräuscharm zurücklegen können. Sie werden durch schwenkbare Propeller angetrieben, die einen Senkrechtstart und -landung ermöglichen, während der Streckenflug wie bei einem konventionellen Flugzeug erfolgt. Die Drohnen werden im Projekt mit einer für den Medikamententransport geeigneten, abnehmbaren Transportbox ausgestattet. Diese Boxen verfügen über intelligente Elektronik, die u. a. einen fälschungssicheren elektronischen Lieferschein und einen kontinuierlichen Datenaustausch mit der cloudbasierten Managementsoftware über eine 5G-Mobilfunkschnittstelle ermöglicht. Außerdem können die Boxen gesperrt werden, sodass nur berechtigte Personen Zugriff auf den Inhalt haben. In der Managementsoftware sollen auch weitere Prozessschritte eingebunden werden, wie zum Beispiel die Kommissionierung neuer Medikamente oder Verknüpfungen mit dem E-Rezept-System. Um sicherzustellen, dass die Medikamente beim Lufttransport nicht durch Hitze beschädigt werden, ist die Transportbox mit einem Temperaturregler ausgestattet.
Erste Erfolge und praktische Umsetzung
Am 31.10.2023 wurde unter Berücksichtigung umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen der erste Versorgungsflug einer Drohne außerhalb der Sichtweite des Piloten erfolgreich durchgeführt (Beyond Visible Line Of Sight, kurz BVLOS), vom Klinikum Ingolstadt zur Ilmtalklinik in Pfaffenhofen. Dieser Flug benötigte gerade einmal 38 Minuten – im Vergleich zu etwa der doppelten Zeit bei einem Transport per Auto. Zusätzlich spart man CO2 und weitere Kosten, beispielsweise durch die Reduzierung der hohen Lagerungs- und Vorhaltungskosten in kleineren Kliniken. Auch bei außergewöhnlichen Notfällen wie Großunfällen, Katastrophen oder anderen Engpässen kann so eine schnelle und effiziente Versorgung mit bestimmten Medikamenten aus einem Krankenhaus der Maximalversorgung sichergestellt werden.
In der Bevölkerung sind Drohneneinsätze zum Medikamententransport weithin akzeptiert, trotzdem ist eine gute Kommunikation über den Einsatz eines solchen Systems notwendig. Im Projekt MEDinTime konnte gezeigt werden, dass ein Medikamententransport mittels Drohnen technisch möglich und ökonomisch sinnvoll sein kann. Die regulatorischen Voraussetzungen für einen Regelbetrieb sind jedoch noch in Klärung. Perspektivisch ist auch ein präklinischer Einsatz eines solchen Systems zur Lieferung von Blutprodukten oder Medikamenten an Einsatzorte größerer Lagen denkbar. Das Bayerische Rote Kreuz erprobte die eingesetzten und ähnliche Drohnensysteme zudem für weitere Einsatzszenarien, wie zur Lageerkundung im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.
Ein Beitrag von:
M. Schmidt, M. Selzer, Dr. F. Böhringer, U. Kippnich
Stabsstelle Sicherheit/Forschung
BRK-Landesgeschäftsstelle